Blog 29.10.2016

Faust II –  Erlösung!  –  Ballett von Xin Peng Wang – Dortmunder Ballett – Opernhaus Dortmund.

Ein Ballettabend der Spitzenklasse (auch ohne Spitze), der absolut sehenswert ist!

Zwanzig Jahre mussten wir nicht warten auf Faust II. In der letzten Spielzeit Faust I und heute bereits die Premiere von Faust II. Auch wenn über der Szenenfolge im Programmheft Handlung steht, ein Handlungsballett ist es nicht. Zwölf Szenen in zwei Teilen reflektieren punktuell hervorstechende Momente aus des Dramas zweitem Teil.

Die Musik als die Kraftquelle und Impulsgeberin des Balletts besteht aus Kompositionen des 20. und 21. Jahrhunderts von Hans Abrahams (Schnee), Michael Gorden (Rewriting Beethoven’s Seventh Symphony), David Lang (Sweet Air, Cello Concerto, I’m walking), Luciano Berio (Rendering), Louis Andriessen (The Nine Symphonies of Ludwig van Beethoven) und Peteris Vasks (Musica Adventus). Das sind hierzulande überwiegend kaum bekannte Komponisten und Musikstücke, aber der Musikstil geprägt von meist minimalistisch repetitiven Elementen, die der Musik häufig einen motorischen Duktus verleihen, ist durchaus geläufig und auch eingängig.

Das Besondere und auch besonders Gelungene des Abends ist das Zusammenwirken von Körperbewegung und Licht – besser gesagt Lichtinstallation von Li Hui und Lichtdesign von Ralph Jürgens und Tobias Ehinger. Phänomenale Bilder und phantastische Illusionen erschaffen diese Lichtkunst in Verbindung mit der Bewegung der Tänzerinnen und Tänzer. Insbesondere die Meerszene mit wogenden, wellenartigen Projektionen, die Schlussszene (die mich ein wenig an den Timetunnel erinnert) und Laserstrahlen, die z.B. Käfige bilden, aber auch in den Zuschauerraum wachsen und schier greifbar erscheinen, das sind Bilder, die sich mir eingeprägt haben. Der Balletttanz rückt in solchen Szenen wie der im Meer etwas in den Hintergrund, da Licht und Bewegung miteinander spielen, das Licht eben ein gleichwertiger Partner für die Tänzerinnen und Tänzer ist. Im zweiten Teil nach der Pause dann gibt es aber mehr reine Ballettkunst zu erleben. Da ist z.B. Giacomo Altovino als Homunculus zu nennen, der ein großartiges Solo tanzt. Und wenn man denkt, besser geht es nicht mehr, dann sind da Lucia Lacarra als Helena/Margarethe und Marlon Dino als Faust, die in schwebender Leichtigkeit ihrem Tanz eine ungeahnte Ausdruckstiefe verleihen, die man nicht für möglich gehalten hätte. Diese beiden internationalen Weltstars scheinen wie von einem anderen Stern auf Dortmund herabgefallen zu sein und haben den sogenannten Status als ständige Gastsolisten. Das ist eine wunderbare Bereicherung der Ballettkompanie. Berührend auch ihre Geste beim Schlussapplaus, sich vor der Kompanie zu verneigen.
Die Rolle des Mephisto ist gegenüber dem Faust I reduzierter, das Ensemble spielt eine größere Rolle. Es ist eine der großen Stärken Xin Peng Wangs die Ensembleszenen zu gestalten, in denen seine Handschrift auch immer wieder deutlich wird. Und das großartige Ensemble setzt diese auch ausdrucksstark  um. Erstaunlich reif und ausdrucksvoll auch das Kind von Madita Herzog – eben einem Kind – getanzt.

Vor der Pause bei der Klassischen Walpurgisnacht soll Klassisches, also Beethoven, die Szene untermalen. Dessen Musik ist hier aber in der Komposition The Nine Symphonies of Ludwig van Beethoven von Louis Andriessen nur in Versatzstücken verarbeitet und wirkt auf mich unmittelbar banal. Ebenso erscheint mir die Szene. Am Ende scheint die von Mephisto geschwungene Europafahne zur bekannten Melodie aus der Neunten das Ganze als Ironie darstellen zu wollen. Sehen und bewerten Sie das bitte selbst. Am Ende des Abends mit rauschendem Beifall hat sich der Eindruck dieser Szene als eine von zwölfen wieder relativiert.

Bravo! Bravo! Bravo!