Blog 23.3.2016

Orfeo ed Euridice – Oper von Christoph Willibald Gluck – (leicht gestraffte) Wiener Fassung von 1762 (mit Hinzufügung eines Orchesterstücks aus der Pariser Fassung als Schluss) – Staatsoper im Schillertheater (Berlin).

Eine Inszenierung von Jürgen Flimm, die bei mir große Fragezeichen zurücklässt. Tot oder untot? – “Szenen einer Ehe” hat Flimm es genannt. Keine Unterwelt – ein Schlafzimmer. Kein quälender Aufstieg zur Oberwelt – ein Ehestreit.
Der (ent)scheidende Moment des Dramas – Orfeo schaut Euridice an – fällt kaum auf, erscheint nebensächlich. Der triumphale Schlusschor wird vom folgenden melancholischen Flötensolo verdüstert und zurückgenommen. Schluss.
Die Musik atmet mir zu wenig, Daniel Barenboim gibt Bejun Mehta kaum Zeit Koloraturen auszusingen, es muss weitergehen. Barenboim schwingt den eher groben Ma(h)lerpinsel und so treffen er und Staatskapelle den Gluckschen Gestus und Klang kaum.
Bejun Mehta wird als (“vielleicht”) bester Countertenor der Welt, auf jeden Fall als bester Orfeo im Programmheft und in der Einführung angekündigt. Das und Eintrittspreise bis 260€ wecken große Erwartungen. Ich habe noch nie einen so lauten Countertenor gehört, er singt kräftiger als Anna Prohaska (Euridice). Sind es Ausdrucksmittel, wenn er mit großem Vibrato und bei langen Tönen mit einem von unten Anschieben – oder, wenn man so will, Hochziehen, einem Verschleifen der Töne singt? Nichtsdestotrotz – beeindruckend!
Anna Porhaska überzeugt mich am meisten mit klarer Stimmpräsenz und Natürlichkeit des Klangs.
Ist es die hinderliche Inszenierung, der mir nicht stimmige Tonfall der Musik? Mir will der rechte Glucksche Orfeo nicht erscheinen. (Gute Beispiele für gelungene Gluck-Opern in Berlin gab es z.B. in den letzten Jahren in der Komischen Oper – Dirigat Konrad Junghänel.)
Dafür komme ich nach der Oper zwar nicht in die Unterwelt, aber in eine, über die die Zeit inzwischen hinweggegangen ist. Ein italienisches Restaurant nahe der Deutschen Oper hat mit 15% Rabatt nach dem Opernbesuch auf der Homepage der Staatsoper geworben. Da die Oper ja bereits um 21 Uhr beendet ist, will ich danach dort dinieren und habe einen Tisch reserviert. Als ich das Lokal betrete, ist es leer, gespenstisch still und dämmrig. Gruselige Bilder und abgespielte Blechblasinstrumente zieren die Wände. Nach Suppe und Kaninchenkeule mit Chianti classico (der in der ersten Karaffe ein Merlot ist) nehme ich noch angedenk des Abends ein Tiramisu. Am Ende gibt es dann nur 10% Rabatt.